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Autorenbildbunland8

Sichtbarkeit oder Positionierung?

Ich lese gerade einen Bericht aus dem Harvard Business Manager, in dem es darum geht, was man dem Einzelhandel raten kann, um sich den Ergebnissen der Pandemie zu stellen. Es wird kategorisiert und einsortiert, wie sich welche/r HändlerIn zu verhalten hat, um seine Kunden wieder zu gewinnen. Ich muss sagen, ich kann es nicht mehr hören.


So wie die Politik und unser regierendes Führungspersonal von einer Pandemie „kalt erwischt“ wurde, so wurde doch jeder von uns kalt erwischt. Gesundheitssystem, Gewerbe, Handwerk, Industrie, Handel und auch der Konsument. Niemand hatte doch eine Gebrauchsanweisung in der Hand, mit dem Kapitel "7.6.1 - Pandemie". Ich kann es nicht mehr hören, dass jeder ganz genau weiß wie es nach dem nächsten Lockdown weiter geht. Jetzt werden Vergleiche mit einem chinesischen Markt gezogen, es wird wieder geraten sich mit den großen Online-Händlern ins Bett zu legen, um „mitzuschwimmen“ und zumindest rudimentär noch einen Tropfen Rahm abzuschöpfen.


Ich kann das alles nicht mehr hören!

Wie kann man denn so tun, als hätte man die Weisheit mit Löffeln gefressen und wüsste genau wie der Konsument sich in 2022 verhalten wird? Ich sitze hier gerade im Co-Working-Space Etage3 in Bocholt und habe die Bocholter Innenstadt zu meinen Füssen. Ich sehe die Menschen, die da sind und ich sehe auch die Menschen, die nicht da sind. Die Generation Z hat sich bereits durch und durch digitalisiert, die findet man in der Freizeit, sie treffen Freunde und genießen die Zeit, sie atmen auf und beschäftigen sich mit Dingen die wichtig sind – wie z. B. mit ihren Freunden.


Die Läden hängen immer noch voll mit Sommerware, die nicht verkauft werden konnte. Die 50%-Reduzierung bleibt immer noch bleischwer in den Regalen liegen.


Diese Pandemie hat uns verändert. Der Konsum ist runtergeschraubt. Die Umwelt wird einem bewusster. Heute zählt die Zeit mit den Freunden mehr als das Suchen nach Waren. Der „Kauf“ wird auf das Sofa verlegt, um die quality-time mit den Freunden zu genießen. Der „Kauf“ auf dem Sofa ist natürlich nur möglich, wo der „Verkauf“ auf dem Sofa angeboten wird.


In dem Bericht aus dem Harvard Business Manager wird ein Vergleich mit China gezogen, dass der Handel dort wieder anzieht und die Läden wieder verkaufen. Doch – Hallo! – wie kann man das Konsumverhalten im kommunistischen China mit dem Konsumverhalten einer Kommune in Nordrhein-Westfalen in Verbindung bringen? Ich habe selbst mal für eine Zeit in China gelebt. Die Menschen dort sind hungrig nach Wachstum, sie verdienen ihr Geld nicht, um für ihr Häuschen zu sparen, sondern sie wollen konsumieren, sie wollen ihren Wohlstand ausleben. Natürlich gehen sie wieder in die Läden und kaufen, denn für sie ist Konsum Wohlstand und Freiheit.


Hier in Deutschland ist das etwas anderes. Es ist sogar in den Niederlanden schon etwas anderes und auch in England. Beide Länder kenne ich auch sehr gut, weil ich mich häufiger dort aufhalte.


Stefan Geukes und ich beraten Händler. Stefan ist Fördermittelberater und in dieser Position holt man unter anderem Angebote und Handlungsempfehlungen von unterschiedlichen digitalen Anbietern ein. Man vergleicht Angebote über Web-Sites (mit & ohne Web-Shop). Man sieht Angebote über analoge & digitale Marketingempfehlungen. Die meisten Angebote zielen auf die Sichtbarkeit, SEO-Optimierung, maximale Präsenz am Werbemarkt, Web-Shop-Lösungen bestenfalls mit angebundener Warenwirtschaft; viele Angebot konzentrieren sich auf das Produkt und auf den Umschlag der Ware, aber nicht auf den Händler bzw. die Händlerin.


Für mich ist Sichtbarkeit kein echter USP mehr sondern eine Selbstverständlichkeit. Für mich zählt die Identität des Geschäfts. Konsumenten wollen wissen bei wem sie einkaufen.


Das Paradoxe im Einzelhandel ist: Mit der puren Sichtbarkeit und der Empfehlung über die großen Online-Marktplätze zu verkaufen befinde ich mich genau in diesem Pool, in dem alle online schwimmen. Wer soll mich denn bei Ebay oder Amazon finden? Wie will ich mich denn da differenzieren? Wie soll der Konsument bei Amazon und Zalando & Co herausfinden, WARUM er bzw. sie als KundInnen doch besser in den Laden vor Ort gehen sollen?


Es sind doch die Menschen, die die Menschen in den Laden holen. Doch Ebay, Amazon, Zalando & Co bieten diese Tuchfühlung nicht an.


Die Menschen in dem Geschäft müssen gezeigt werden, denn die Menschen locken die Menschen an. "129concept Store" in Düsseldorf macht das hervorragend. Man geht dort einkaufen, weil man doch von Sandra beraten werden will. Oder die „Prinzessin ohne Schloss“ präsentiert sich online derart gut, dass sie ihr Ladenlokal in der Innenstadt verkleinert hat und sich mit weniger Mietkosten auf die Beratung ihrer Kunden konzentriert. Ähnlich der "KKlup" aus den Niederlanden oder das Store "Kontrast" in Frankfurt. Aber so macht es auch die Gastronomie . Wie das "Huckyou" in Bocholt. Oder auch das "Tagwerk" , welches gemeinsam mit dem "Tapavino" z. B. einen wundervollen Tapas- oder Paella-Abend arrangiert und damit virtuell die Tür aufmacht. Sichtbarkeit ist das Vehicle, der eigentliche USP ist jedoch der Inhalt. Hier geht es um ein Lebensgefühl, das vermittelt wird, hier geht es um Identifikation, hier geht es um die Seele eines Betriebes.


Meine Theorie ist es, dass wir nach der Pandemie wieder nach Identifikationen suchen werden. Wir wollen wieder Zugehörigkeit, wir werden uns auf unsere Werte besinnen, wir wollen Qualität nicht mehr Quantität. Uns ist es wichtiger zu wissen, WO wir einkaufen und nicht mehr, DASS wir einkaufen.


Vielleicht täusche ich mich? - Die Zeit wird es zeigen.

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