Durch meine Arbeit in einem internationalen Unternehmen mit knapp 340 Mitarbeitern verteilt über mehr als 40 Standorte war schon im Jahre 2012 für mich "neues Arbeiten" angesagt. Wir mussten uns mit den damals verfügbaren Technologien, Skype oder Goto-Meeting statt Teams oder Zoom zurechtfinden. Web-Konferenzen fanden meist ohne Video statt, weil Leitungen einfach noch nicht stabil genug waren. Video-Konferenz-Systeme waren teuer, daher mussten wir nehmen was ging. Das Arbeiten war immer und überall möglich, was automatisch dazu führte, dass man morgens mit Asien und abends mit Amerika zu tun hatte. Mittags ging man dann z. B. zum Sport, oder einkaufen, oder nahm sich die Freiheit eine lange Mittagspause einzulegen und traf sich mit Freunden, die im Schichtdienst oder in Teilzeit gearbeitet haben. Oder aber man nutzte die Flexibilität, um mal zum Arzt, zur Bank oder zum Amt zu gehen.
Damals nannte man das nur nicht New Work, weil es kaum jemanden betraf. Wir waren gefühlt Arbeits-Pioniere in Deutschland. Im Ausland war dezentrales Arbeiten längst gang und gäbe. Dort war es dann nicht erforderlich wegen Corona, sondern weil in anderen Ländern wie Indien, China, Venezuela der Weg zur Arbeit gerne schon mal 2 Stunden in Anspruch nahm.
Wer in Bangalore, Bella Horizonte oder Mumbai so priviligiert war eine Internet-Leitung zu Hause zu haben, ist einfach aus rein praktischen Gründen zuhause geblieben und nur ins Office gekommen, wenn es wirklich erforderlich war. Was also heute für uns in Deutschland "New Work" ist, war in anderen Ländern Alltag. Daran kann man erkennen, wie priviligiert wir sind, dass wir Festnetzleitungen, Verkehrsinfrastruktur, ein eigenes Auto, feste Arbeitsplätze in fertig eingerichteten Büros für ein Mindestmaß an Lebens- und Arbeitsstandard ansehen. Umgekehrt müssen wir uns jetzt die Vorteile der flexiblen Arbeitsplätze mental erarbeiten. Zumindest scheint mir das so. Wir brauchen Regeln, Arbeitszeiterfassungen, technische Vorkehrungen und ergonomische Bürostühle und abschließbare Büros zuhause, um innerlich bereit zu sein, unseren festen Arbeitsplatz im Büro freiwillig aufzulockern. Nach meiner Beobachtung müssen sowohl Manager als auch Personal bereit dafür sein, den vermeintlich sicheren Arbeitsplatz mit den klaren Strukturen loszulassen.
Wenn ich das so sage, meine ich das nicht despektierlich. Für mich ist das eine wertfreie und vielleicht etwas deutlicher ausgesprochene Beobachtung. Veränderungen bedeuten für uns Menschen immer erst einmal eine Situation der Unsicherheit zu ertragen, bis wir uns daran gewöhnt haben. Sobald wir uns daran gewöhnt haben, sind wir offen für neue Erkenntnisse und auch dafür neue Vorteile, aber auch neue Nachteile zu erkennen und abzuwägen. Um diesen Weg vielleicht etwas kürzer zu gestalten, teile ich einfach mal meine Erfahrungen und gebe ein paar Tipps, die zu den einzelnen Punkten zu beachten sind:
Technische Ausstattung
Stelle sicher, dass Deine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über die erforderliche technische Ausstattung verfügen, um effektiv von zu Hause aus arbeiten zu können. Dazu gehören Computer, Laptops, stabile Internetverbindungen, Telefonanlagen und möglicherweise spezielle Software oder Tools, die für die Arbeit benötigt werden.
Kommunikation und Zusammenarbeit
Wissen sollte mehr und mehr dokumentiert und geteilt werden. Implementiere geeignete Kommunikations- und Kollaborationstools, die es den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ermöglichen, effektiv miteinander zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Das können beispielsweise ein gemeinsames Sharepoint, eine Dokumentencloud, E-Mail, Instant Messaging, Videokonferenzen oder Projektmanagement-Tools sein. Hier empfehle ich ganz klar Microsoft TEAMS, was das alles in einem Tool bietet und für kleine Projekte durchaus langt.
Sicherheit und Datenschutz
Sorge für angemessene Sicherheitsmaßnahmen, um den Schutz sensibler Unternehmensdaten zu gewährleisten. Dazu gehört die Nutzung von verschlüsselten Verbindungen, die Implementierung von Zugriffskontrollen und die Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit Sicherheitsrisiken. Hier kenne ich unter anderen die Maaß IT, die hier ein perfekter Ansprechpartner ist und für die ich zufällig auch noch beratend tätig bin.
Arbeitszeit- und Leistungsmanagement
Lege klare Richtlinien für Arbeitszeiten und Erreichbarkeit fest. Vereinbare klare Ziele und überwache die Leistung des Teams regelmäßig, um sicherzustellen, dass die Produktivität aufrechterhalten wird. Hier ist Fingerspitzengefühl der Führungskräfte gefordert. Man kann auch virtuell mal Team-Meetings einberufen, um den Wasserstand abzufragen. Meine Erfahrung ist es sogar, dass das förderlich ist, das Team konzentriert und fokussiert zusammen zu rufen.
Mitarbeiterunterstützung und -betreuung
Biete jedem im Team Unterstützung und Ressourcen an, um mit den Herausforderungen des Homeoffice umzugehen. Das können Schulungen zur effektiven Arbeit von zu Hause aus, technische oder psychologische Unterstützung sein.
Rechtliche Aspekte
Halte mögliche arbeitsrechtliche Bestimmungen und Anforderungen in Bezug auf das Homeoffice im Auge. Informiere Dich regelmäßig über gesetzliche Vorgaben zur Arbeitszeit, Datenschutz und Versicherungsschutz. Bislang gibt es keine festen Regelungen, doch daran wird gearbeitet. Ich persönlich hatte das in der Vergangenheit über meinen Arbeitsvertrag geregelt und mein Arbeitgeber hat mich mit in die Verantwortung gezogen: arbeitsfreundliche Arbeitsumgebung, verschließbare Schränke falls ich Dokumente mit nach Hause nehme, die richtigen Routereinstellungen für mein WLAN und kein Arbeiten an öffenltichen Plätzen, Datensicherung gem. DSGVO, Nutzung der VPN-Leitung, Vertrauensarbeitszeit, Abmelden wenn nicht erreichbar, ansonsten Pflicht erreichbar zu sein währen der Arbeitszeit, usw. usf.. Hier empfehle ich klare Absprachen mit der Belegschaft, bestenfalls direkt mit der Arbeitnehmervertretung - falls vorhanden. Konsens ist hier wichtig.
Teamkultur aufrechterhalten
Fördere den Austausch und die Teamkultur, auch wenn das Team nicht physisch an einem Standort ist. Organisiere virtuelle Team-Meetings, Team-Building-Aktivitäten oder informelle virtuelle Treffen - gerne auch mal eine gemeinsame Kaffeepause, um den Zusammenhalt innerhalb des Teams zu stärken. Fördere, dass das Team sich austauscht. Wenn Du nicht der große virtuelle Kommunikator bist, arbeite an Dir, gehe aus Deiner Komfortzone heraus und lerne es.
Führungskräfte sind jetzt mehr gefordert!
Vertrauensbasierte Führung
Da die direkte physische Überwachung der Mitarbeiter im Homeoffice nicht möglich ist, wird die Führung mehr auf Vertrauen basieren. Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitern vertrauen, dass sie ihre Ziele erreichen. Dies erfordert eine offene Kommunikation und den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung. - Das sollte aber auch im Büro so sein.
Ergebnisorientierung
Anstatt sich auf die Anwesenheit oder die Arbeitsstunden zu konzentrieren, wird die Führung stärker auf die Ergebnisse und die Erreichung von Zielen ausgerichtet sein. Klare Erwartungen und Ziele müssen kommuniziert werden, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten in der Lage sein, eigenverantwortlich zu arbeiten und ihre Leistung zu messen. Hier muss auch das Personal aus seiner Komfortzone austreten und sich messbar machen.
Kommunikation und Feedback
Kommunikation wird eine zentrale Rolle spielen, um sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter informiert und auf dem gleichen Stand sind. Führungskräfte müssen regelmäßige Kommunikationskanäle etablieren und sicherstellen, dass Feedback und Unterstützung gegeben werden, um das Team zu motivieren und bei Bedarf zu unterstützen.
Flexibilität und Empathie
Homeoffice ermöglicht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine flexiblere Arbeitsgestaltung, um ihre Arbeit an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. Führungskräfte sollten flexibel sein und auf die unterschiedlichen Lebensumstände und Herausforderungen ihrer Mitarbeiter eingehen. Empathie und Verständnis sind entscheidend, um die Mitarbeiter zu unterstützen und ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben zu fördern.
Selbstbestimmung
Für mich ist ein ganz wichtiger Punkt, dass man niemanden in das Homeoffice zwingt, sondern es dem Personal überlässt, sich dafür zu entscheiden. Es gibt Berufe, da geht Homeoffice nicht. Es gibt Telearbeitsplätze, die funktionieren einfach nicht, weil zu viel Trubel daheim ist. Es gibt Mitarbeitende die z. B. alleine leben, die man vor der Isolierung schützen muss. Wichtig ist hier das Vertrauen in die Mitarbeiterin und den Mitarbeiter zu setzen, darüber selbst bestimmen zu können. Wichtig ist auch, die Entscheidung dafür oder dagegen regelmässig zu hinterfragen.
Als ich 2012 in diese agile Arbeitsumgebung wechselte, waren meine Vorbehalte groß. Wie kontrolliere ich den Arbeitsfortschritt, wie halte ich mein Team bei Laune, wie bekomme ich es zeitlich hin, immer öfter erreichbar zu sein, wo ziehe ich meine Grenzen, arbeite ich am Ende mehr als meine verlangten 40,0 Stunden, verliere ich nicht den Kontakt zu den einzlenen Kolleginnen und Kollegen und auch zu meinen Vorgesetzten, bekomme ich dann überhaupt noch die Schwingungen im Unternehmen mit, wenn ich die Flurgespräche nicht mehr mitbekomme?
All meine Bedenken haben sich in Luft aufgelöst.
Ich musste das Gespräch mehr einfordern, bewusster kommunizieren, ich musste besser fragen und genauer hinschauen, und sehen, wie es den einzelnen Leuten wirklich geht. Ich hatte weniger Small-Talk aber dafür mehr werthaltige Kommunikation. Wenn ich als Führungskraft weiß was mein Team machen soll kann ich auch klar den Arbeitsfortschritt erkennen. Ich musste Ziele vorgeben, Missverständnisse sofort ausräumen und ggf. auch mal die Moderation bei Konfliktgesprächen übernehmen. Das alles hat mich anfangs mehr gefordert. Doch wenn die "virtuelle Kultur" erst mal etabliert ist, merkt man, dass die Kommunikation eine neue Qualität bekommen hat. Weiterhin - aus der Sicht einer Mitarbeiterin - habe ich die Vorzüge und Flexibilität sehr zu schätzen gewusst. Seither spreche ich auch nicht mehr von Work-Life-Balance sondern von Work-Life-Management. Wir sind selbst verantwortlich für den Erfolg unserer Veränderungen. Das virtuelle Arbeiten kann vom Team-Lead vorgelebt werden, doch wenn es funktioniert, ist es der Erfolg des gesamten Teams. Das Team muss in Summe bewusster miteinander umgehen, dann klappt es auch mit der neuen Arbeitswelt.
Meine persönliche Erfahrung war, dass es mehr gefühlte Team-Erfolge und weniger Individual-Erfolge gab. Profilierung funktionierte nur noch dort, wo sie auch verdient war. Oder von der anderen Seite betrachtet: Lowperformer konnten sich nicht mehr durchschlängeln, sie fielen irgendwann auf. "Betreutes Arbeiten" ist virtuell schwer umsetzbar.
Und wer weiß: Wenn das Vertrauen in die eigene Führungskultur und in die Mitarbeiter erst mal wachsen konnte, sind wir gesellschaftlich in der "New Work" angekommen, wo der Fokus auf das Ergebnis und nicht auf die Anwesenheit gelegt wird. Vielleicht ist dann auch eines Tages die 4-Tage-Woche wirklich möglich, weil man dann selbst bestimmt, ob die Arbeitswoche 5 mal von 7-16 Uhr oder von 9 - 18 Uhr, oder von 10 - 19 Uhr oder nur noch 4 mal in der Woche von 7-18 Uhr geht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden dann mehr und mehr erfolgsrorientierte Partner!
Switch into transform-mode: Manage your own New Work-Life!
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