Wie holen wir die Millennials in den Arbeitsprozess? - Offensichtlich sind die Millennials eine Generation, die ungefähr 1984 und später geboren wurden. Ihrem Ruf nach sind sie schwer zu handhaben, sie sind angeblich narzisstisch und eigennützig. Führungskräfte sind verwirrt, wenn sie dieser Generation gegenübersitzen. Daher versuche ich mal etwas Empathie in die Sache zu bringen, auch wenn ich selbst keine halbwüchsigen Kinder habe. Oder vielleicht auch gerade deswegen, weil ich rein aus der Beobachterposition sprechen kann:
Fragen Führungskräfte die Millennials, was Sie wollen, sagen sie mit Hingabe, dass sie „eine Bedeutung spielen“ wollen, sie wollen etwas beeinflussen, wissen aber meist gar nicht genau was. Wollen Sie nur die 30 Stunden-Woche in 4 Tagen oder den ultimativ-kreativsten Start-Up gründen, oder was wollen sie? Manchmal hängen sie – in unserer Wahrnehmung – einfach nur rum, und sind trotzdem unglücklich. Wie kann das?
Nun, meine Beobachtung sagt mir, man kann es in 4 Merkmale einteilen: Erziehung, Ungeduld, Technologie & Umfeld.
Zu viele der Millennials unterliegen – so sagen es die sogenannten Experten - gescheiterten Erziehungsstrategien, weil sie zum Beispiel immer wieder gesagt bekommen, dass sie etwas Besonderes sind. Nun, aus den Augen der Eltern sind sie es ja auch. Die Eltern und Erziehenden sagen ihnen, dass sie alles erreichen können, was sie wollen. Sie müssen nur fest daran glauben. Doch leider ist das Schulsystem derart Image-belastet, dass alle Kinder nur noch das Gymnasium besuchen dürfen; und so lange mit Informationen gefüttert und unterstützt werden, bis der Schritt auf das Gymnasium „irgendwie“ gesichert ist. Doch was ist mit den Schülern und Studenten, die doch eher handwerklich begabt sind und in diesen Berufssparten glücklicher werden würden, statt schon im Alter von 11 Jahren auf das Studium vorbereitet zu werden?
Harte, körperliche Arbeit wird und wurde in den Köpfen der Millennials vollständig entwertet. Harte, körperliche Arbeit ist außer Mode geraten. Doch was ist mit den Studierten, die dann doch im körperlichen Raster der Arbeitswelt landen, weil eben gar nicht so viele Jobs in Administrationen und Führungsebenen besetzt werden können. Was ist mit denen, die bis zum 22. oder 25. Lebensjahr gelernt und studiert haben, von ihren Eltern gefördert wurden und denen das Gefühl gegeben wurde, dass sie was Besseres verdient haben. Auf einmal stellen diese jungen Menschen beim Beginn ihres Arbeitslebens fest, dass sie gar nicht so „besonders“ sind, wie sie immer gelernt haben. Auf einmal sind Arbeitgeber mit den Frustrationen dieser jungen Menschen konfrontiert. Oder sie finden diese jungen Menschen gar nicht mehr, weil die Millennials vorher schon aufgegeben haben. Was macht das mit dieser Generation? Wie gehen sie damit um? Wer begleitet sie in die reale Welt?
Die Millennials nagen an ihrem Selbstwertgefühl, suchen nach Antworten. Oft werden sie im sozialen Netzwerk aufgefangen, von Gleichgesinnten und anderen, die sich dort tummeln. Auf einmal ist Facebook, Instagram & Co. der Antwortgeber. Und genau dort findet doch die nächste Fake-Welt statt, mit Filtern, Algorithmen und Stream-Line-Communities. Die jungen Menschen fühlen sich vielleicht sogar von ihren Müttern und Vätern fehlgeleitet, denn sie stellen fest, dass ihre Eltern ihnen gar nicht helfen können. Ihre Eltern finden weder im sozialen Netzwerk noch in der unwirklichen Arbeitswelt statt, auf die die jungen Menschen doch mental eingestellt und hinerzogen wurden.
Wie lernen sie nun ihre Ziele zu verfolgen? Welche Ziele haben sie denn überhaupt? Der Rat von außen oder von den Älteren klingt so unwirklich, die ältere Generation hat doch vollständig den Bezug verloren. Sie haben die jungen Menschen auf eine „bessere“ Welt vorbereitet, die es gar nicht gibt; oder in der – nach wie vor – nur die richtig starken oder elitären Millennials ihren Platz finden.
Das nagt an einem jungen Menschen! Das tut weh!
Nun bringen wir die Technik als Einflussgröße ins Spiel, von der wir wissen, dass die Interaktion mit sozialen Medien und unseren Handys eine Chemikalie namens Dopamin freisetzt. Warum fühlt es sich gut an, wenn du eine SMS bekommst? Wir nehmen ein bisschen Niedergeschlagenheit, fühlen uns ein bisschen einsam, und so schickst du diese 10 SMS an 10 Freunde, die du kennst. Und Du bekommst Antworten: Hallo, Hallo, Hallo. Das fühlt sich gut an, wenn du eine Antwort bekommst. Deshalb zählen wir die Likes, deshalb gehen wir 10-mal ins Mobiltelefon, um nachzuschauen, ob unsere Inbox eine Nachricht hat. Versteht mich nicht falsch: Ich kenne noch die Zeit vor dem Internet, ich weiß was echte Freunde sind, doch wissen die Millennials das auch? Bei mir bewirken reale Freunde den Dopaminanstieg. Doch die junge Generation ist in der Technik groß geworden. Wenn die Likes runter gehen, die Akzeptanz sinkt, die Feedbacks negativ werden, dann führt das zu Frustrationen und Verunsicherungen. Die jungen Leute haben andere Wahrnehmungen, die uns vielleicht gar nicht klar sind.
Dopamin, das fühlt sich gut an, deshalb mögen wir es, deshalb kehren wir immer wieder zu Dopamin-Momenten zurück. Das ist genau die gleiche Chemikalie, die uns ein gutes Gefühl gibt, wenn wir rauchen, wenn wir trinken, wenn wir kiffen. Mit anderen Worten, es macht stark süchtig, versteht ihr? Wir haben Altersbeschränkungen für das Rauchen, Glücksspiel und Alkohol doch nichts für die sozialen Medien und Mobiltelefone. Das ist gleichbedeutend mit dem Öffnen des Spirituosenschranks für unsere Teenager und Heranwachsenden. Wenn Jugendliche unter Stress geraten, dürfen sie ungehindert zu der Droge Social Media greifen. Wie viele Eltern gibt es denn, die das noch wirklich kontrollieren können. Und gerade Frustrationen sind doch der Anfang jeder Sucht. Warum ist es wichtig, das zu verstehen?
Fast jeder Alkoholiker entdeckte Alkohol, als sie Teenager waren. Die einzige Zustimmung, die Heranwachsende brauchen, ist die Zustimmung ihrer Eltern. Und während sie durch die Pubertät gehen, suchen die jungen Menschen die Zustimmung ihrer Altersgenossen. Klar das ist sehr frustrierend für die Eltern, denn auf einmal verlieren sie jeglichen Einfluss. Auch der Austausch mit den Altersgenossen ist wichtig. Es ermöglicht ihnen, sich außerhalb ihrer unmittelbaren Familie zu akklimatisieren. Im weiteren Sinne ist es eine sehr stressige und ängstliche Zeit des Lebens. Und wir müssen ja irgendwie, irgendwann lernen, uns auf unsere Freunde zu verlassen.
Doch leider wird dieser Dopamin-Moment in den Gehirnen fest verdrahtet, für den Rest des Lebens. Sozialer Stress, finanzieller Stress, beruflicher Stress, das ist so ziemlich der Hauptgrund, warum ein Alkoholiker richtig trinkt. Und die jungen Menschen sind mit diesem Dopamin-Momenten bedingt durch die Glückseligkeit der Likes in den sozialen Medien quasi vorbelastet. Was bedeutet das für den Aufbau von ernsthaften Beziehungen?
Ich schweife jetzt etwas ab, aber wie bekommen wir es hin, dass eine ganze Generation weg kommt von der oberflächlichen Betrachtung einer Fake-Welt mit Likes und Dopamin-Ausstoß? Wie geben wir den jungen Menschen die Bewältigungsmechanismen, um mit Stress umzugehen? Wenn sich in ihrem Leben erheblicher Stress zeigt, wenden sie sich nicht an eine Person, sondern im Worst Case an ein Gerät mit Accounts und Antworten in Sekundenschnelle. Hand aufs Herz: Wer schaut morgens erst in sein Handy, bevor er seinem Partner „Guten Morgen“ sagt? Sind wir da nicht alle irgendwie betroffen? Sind wir uns wirklich bewusst, dass es hier um das Dopamin-Gefühl geht?
Jetzt fügen wir das Merkmal der Ungeduld hinzu, dass die Millennials in einer Welt der sofortigen Befriedigung aufgewachsen sind. Sie wollen etwas kaufen, dass es bei Amazon gibt, denn am nächsten Tag wollen sie z.B. einen Film schauen. Sie schauen nicht in die Fernsehzeitschrift was übermorgen läuft, sondern wollen ihren Bedürfnissen folgen. Die Millennials sind nicht gewöhnt zu warten. Wozu auch? So sind sie nicht groß geworden. Ich kenne Leute, die aus einer Serie eine Staffel überspringen und zu Ende schauen, nur damit sie schnell fertig sind. Höher, schneller, weiter, fertig. Die Kids von heute werden nicht darauf trainiert zu warten, Geduld zu haben, Vorfreude zu entwickeln. Warum sollten sie sich überhaupt auf das Berufsleben freuen? Warum sollten sie sich auf eine neue Lebensphase freuen, wo sie doch gewohnt sind, alles bei Amazon kaufen zu können. Wer sagt denn noch Nein? Wie lernen die jungen Menschen denn überhaupt mit Nein umzugehen? Da ihnen ja auch immer alles abgenommen wurde, können sie auch nicht mit Problemen oder Hindernissen umgehen.
Was Sie wollen? Sofortige Befriedigung. Es gibt keine App, die ihnen beibringt auch langsame, gemütliche, chaotische Prozesse zu durchlaufen. Und so sieht man immer wieder diese wunderbaren, fantastischen, idealistischen, fleißigen, intelligenten Kinder, die gerade ihren Abschluss gemacht haben. Sie sind in ihrem Einstiegsjob. Und im Gespräch hört man dann ihren Frust. Man fragt „wie läuft’s“ und hört Frust darüber, dass sie „ja nichts bewirken könnten“. Dabei sind sie gerade mal 8 Monate in ihrem Job.
Sie stehen am Fuße des Berges und starren auf den Gipfel. Was sie jedoch ausblenden ist das dazwischen: Den Berg. Sie haben es nicht gelernt, auch Spaß auf der Strecke zu haben, auf dem Weg vom Fuß bis zum Gipfel des Berges. Das ist wichtig. Sie brauchen Selbstvertrauen, Erfüllung, Freude, die Fähigkeit aufzustehen, wenn sie hingefallen sind, Geduld. Sie müssen auch wissen, dass die Reise in den Erfolg Schweiß und Arbeit kostet. Eine gute Schulbildung ist doch nur der Weg zum Fuße des Berges, aber doch nicht auch gleichzeitig rauf auf den Gipfel. Was wurde ihnen da in Vorbereitung auf das reale Leben beigebracht?
Unternehmen müssen darauf eingehen, dürfen nicht mehr die Quick-Wins in den Vordergrund stellen, sondern die Ausdauer. Das Ziel des Jahres oder der Jahre ist wichtig, nicht der schnelle Erfolg. Die jungen Leute brauchen Selbstvertrauen durch das, was sie selbst erarbeitet haben. Sie brauchen nicht das Gefühl von „ich habe den Berg bestiegen und bin deshalb glücklich“ sondern vielmehr „Ich besteige gerade den Berg und das macht mich glücklich“. Der alte Satz: Der Weg ist das Ziel muss gelehrt und vorgelebt werden. Führungskräfte müssen ihren jungen Arbeitnehmenden zeigen, dass es nicht schlimm ist, mal hinzufallen. Es ist schlimm, das Interesse daran zu verlieren wieder aufzustehen. Aufgeben ist das Ziel aus den Augen verlieren. Aufgeben ist auch wieder nur der Drang nach der schnellen Befriedigung, die Suche nach dem Dopamin-Moment.
Wir brauchen nicht mehr Handys und Online-Erreichbarkeit, sondern weniger. Wir müssen z. B. darauf bestehen, dass in Präsenzmeetings der Fokus im Meetingraum ist und nicht bei den Likes oder der letzten Text-Message oder Email. Wir brauchen wieder mehr menschliche, reale Beziehungen. Wir brauchen Vertrauen und müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen.
Wie geht ihr selbst mit Eurer Erreichbarkeit um? Geht ihr ans Telefon, während ihr mit jemandem sprecht? Lasst ihr Euch ablenken? Interagiert ihr online, wenn eine reale Person anwesend ist? Abends im Restaurant, wie ist es da? Fehlt Euch der Dopamin-Moment in Begleitung einer realen Person? Seid ihr schon süchtig nach diesen Momenten? Ist nicht mehr das Essen der wahre Genuss oder das Gespräch, der Drink, der Abend, die Atmosphäre?
Wir müssen bei uns anfangen, uns so verhalten, wie es die Gesellschaft und auch die Arbeitswelt noch braucht. Wir sind doch das für diese junge Generation. Die junge Generation ist doch deshalb auch so etwas wie unser Spiegel. Wir sollten diese junge Generation der Millennials lernen zu verstehen und wir dürfen diese junge, fantastische Generation nicht verurteilen, sondern müssen sie dort abholen, wo sie sind.
Die erfolgreichen Arbeitgeber von morgen, helfen dieser großartigen, idealistischen, fantastischen Generation dabei, ihr Selbstvertrauen aufzubauen, Geduld zu lernen, soziale Fähigkeiten zu erlernen, ein besseres Gleichgewicht zwischen Leben, Fake und Technologie zu finden. Wir sind doch das Umfeld und damit auch eine wichtige Einflussgröße für die Arbeitnehmer von morgen. Die jungen Menschen haben da schon auch einen Streifen hinter sich, den wir als „Vor-Internet-Generation“ gar nicht wirklich beurteilen können.
Lasst uns empathisch sein, für unseren Nachwuchs!
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